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Lösung der Navier-Stokes-Gleichung auf nichtversetzten Rechengittern

Die in Kapitel 6.3 erläuterte Gitteranordnung mit versetzten (gestaffelten) Kontrollvolumen für die Berechnung der Geschwindigkeitskomponenten war nach ihrer Einführung in den 60er Jahren für lange Zeit der einzig bekannte Weg zur gekoppelten Berechnung von Geschwindigkeits- und Druckfeldern in inkompressiblen Strömungen. Mit versetzten Rechengittern muß jedoch ein vergrößerter Aufwand hinsichtlich des Speicherbedarfs (mehr geometrische Größen) sowie des Rechenzeitbedarfs (zusätzliche Metrikberechnungen und Interpolationen) in Kauf genommen werden. Zusätzlich steigt durch die unterschiedlichen Rechengitter auch der Programmieraufwand und die Komplexität des Rechenprogramms. Bei der Diskretisierung der Transportgleichungen in krummlinigen Koordinaten in Verbindung mit der Formulierung der Impulsgleichung in kartesischen Geschwindigkeitskomponenten können zudem Situationen auftreten, die trotz versetzter Gitter eine Entkopplung von Geschwindigkeit und Druck zur Folge haben.

Insgesamt ist festzustellen, daß viele Argumente gegen die Verwendung versetzter Rechengitter aufgezählt werden können. Eine Rechentechnik, die das Problem der Entkopplung ohne nennenswerten Mehraufwand bei Programmierung und Programmablauf sicherstellt, wurde von Rhie und Chow (1983) eingeführt. Hierauf aufbauend wurden in der Vergangenheit mehrere, im Detail unterschiedliche Wege zur Kopplung von Druck und Geschwindigkeit auf nichtversetzten (zusammenfallenden = collocated) Rechengittern vorgeschlagen. Speziell Rechenverfahren für krummlinige Koordinaten basieren seit den 80er Jahren fast ausschließlich auf nichtversetzten Gittern. Dabei wird folgende Vorgehensweise beschritten:


Zur Approximation des Druckgradiententerms in den Impulsgleichungen muß der Druck und zur Aufstellung der Massenbilanz die Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzen ermittelt werden. Wenn Druck und Geschwindigkeit dabei linear interpoliert werden, entsteht die Gefahr, daß oszillierende Druckfelder weder in den diskretisierten Impulsgleichungen noch in der diskretisierten Kontinuitätsgleichung bemerkt werden. Bei versetzten Rechengittern wird dieses Problem dadurch umgangen, daß Geschwindigkeit und Druck an den Stellen berechnet werden, wo sie später benötigt werden. Eine Interpolation ist deshalb nicht mehr notwendig.

Eine Methode, die für nichtversetzte Gitter geeignet sein soll, muß entweder bei der Interpolation des Drucks oder bei der der Geschwindigkeit auf die Kontrollvolumengrenzen eine Kopplung zwischen Druck und Geschwindigkeit schaffen. Rhie konzentrierte sich auf die Interpolation der Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzen, die zur Aufstellung der Massenbilanz benötigt werden.

Abbildung 49: Kontrollvolumengrenzen in der Mitte zwischen zwei benachbarten Knoten
\begin{figure}\begin{center}
\begin{picture}(150,40)
% begin\{picture\}(150,80)
...
...fxsize=70mm epsffile\{Abb/rzellen.eps\} \}
\end{picture}\end{center}\end{figure}

Die diskretisierte Impulsgleichung für das in Abbildung 49 skizzierte Kontrollvolumen lautet:

$\displaystyle a_P u_P^* =\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}^*) +b+A_P \cdot (p_w^* -p_e^*) \ ,$ (6.40)

$\displaystyle u_P^* = \frac{\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}^*) +b}{a_P}
+ \frac{A_P}{a_P} \cdot ( p_w^* - p_e^* ) \ ,$

mit$\displaystyle \qquad A_P = \frac{V_P}{\Delta x} \ . $

Mit den hochgestellten Indizes $ ^*$ werden wieder die Geschwindigkeiten gekennzeichnet, die die Impulsbilanz erfüllen. $ p_W^*$ und $ p_E^*$ sind wie beim Druckkorrekturalgorithmus für gestaffelte Gitter die Drücke, die in einer Iteration als Schätz- oder Zwischenwerte zur Verfügung stehen (vgl. SIMPLE). Zur Konstruktion der Interpolation werden die beiden diskretisierten Impulsgleichungen der Punkte $ P$ und $ E$ zu einer Bestimmungsgleichung für die Geschwindigkeit $ u_e^*$ an der Kontrollvolumenfläche kombiniert. Die Koeffizienten, Flächen, rechten Seiten und Druckgradienten werden dabei unter der Annahme linear interpoliert, daß sich die Kontrollvolumengrenze in der Mitte zwischen den Knotenpunkten befindet.


$\displaystyle u_e^*$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac12 \left\{ \underbrace{\left.
\frac{\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}...
...+ \left. \frac{A_P}{a_P} \right\vert _E \right] }_{d_e}
\cdot ( p_P^* - p_E^* )$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \left\{ \frac{\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}) + b_u }{a_P} \right\}_e
+ \left\{ \frac{A_P}{a_P} \right\}_e \cdot (p_P^* - p_E^*) \ .$ (6.41)

Der Druck wird im Ergebnis also nicht mehr in einer Weise interpoliert, daß sich eine Entkopplung ergeben kann, sondern es geht vielmehr direkt der Druck an der Stelle $ P$ mit in die Gleichung ein.

Die obige Interpolationsvorschrift kann folgendermaßen interpretiert werden: auf der Kontrollvolumengrenzfläche wird die Geschwindigkeit $ u_e^*$ nicht als Mittelwert der benachbarten Geschwindigkeiten $ u_P$ und $ u_E$ gebildet. Vielmehr werden zunächst die beiden 'Pseudogeschwindigkeiten'

$\displaystyle \hat u_P^*$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \left\{ \frac{\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}^*) + b}{a_P}
\right\}_P \ ,$  
      (6.42)
$\displaystyle \hat u_E^*$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \left\{ \frac{\sum_{nb} (a_{nb} u_{nb}^*) + b}{a_P}
\right\}_E \ .$  

gemittelt. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß die Pseudogeschwindigkeiten eine Art Impulsbilanz, die ohne Einfluß des Drucks gebildet wird, erfüllen. Zusammen mit

$\displaystyle d_e = \frac12 \left[ \left\{ \frac{A_P}{a_P} \right\}_P + \left\{ \frac{A_P}{a_P} \right\}_E \right] \ ,$ (6.43)

folgt so die Interpolationsvorschrift (6.41) zu

$\displaystyle u_e^* = \frac12 ( \hat u_P^* + \hat u_E^*) + d_e (p_P^* - p_E^*) \ .$ (6.44)

Das bedeutet, daß bei dem Vorschlag von Rhie die Pseudogeschwindigkeiten $ \hat u^*$ anstatt der Geschwindigkeiten $ u^*$ linear interpoliert werden und erst aus den interpolierten Pseudogeschwindigkeiten die für die Massenbilanz maßgeblichen Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzen gebildet werden. Dabei wird der Druckeinfluß wie bei SIMPLER für versetzte Gitter überlagert.

Wie bei den versetzten Rechengittern wird nun gefordert, daß durch ein entsprechendes Druckfeld die Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzen so ermittelt werden, daß sie der Kontinuitätsgleichung genügen:

$\displaystyle u_e = \frac12 ( \hat u_P^* + \hat u_E^*) + d_e (p_P - p_E) \ .$ (6.45)

Im Gegensatz zu den versetzten Gittern soll jetzt allerdings die Impulsbilanz mit den Geschwindigkeiten erfüllt werden, die an den gleichen Stellen wie der Druck berechnet werden. Zum Erreichen dieser Zielsetzung kann in Anlehnung an das weiter vorne vorgestellte Druckkorrekturverfahren vorgegangen werden. Hierzu wird wieder davon ausgegangen, daß die im Laufe der iterativen Lösung gerade vorliegenden Geschwindigkeiten auf den Kontrollvolumengrenzen $ u^*$ und der zugehörige Druck $ p^*$ so zu korrigieren sind, daß damit die Massenbilanz erfüllt wird. Die Korrekturformeln lauten:

$\displaystyle p_P = p^*_P + {p'}_P$   und$\displaystyle \qquad p_E = p^*_E + {p'}_E \ .$ (6.46)

$\displaystyle u_e' =d_e ({p'}_P-{p'}_E) \qquad \Rightarrow \qquad u_e=u_e^* +u_e' \ .$ (6.47)

Werden nun die analog zu Gleichung (6.47) ermittelten Geschwindigkeitskorrekturen wieder in der diskretisierten Kontinuitätsgleichung eingesetzt, folgt eine Gleichung zur Bestimmung der Druckkorrekturen. Diese Gleichung ist von der gleichen Form wie die für versetzte Rechengitter. Zu beachten ist lediglich die veränderte Berechnung der Faktoren $ d_e, d_w, d_n, d_s$ gemäß Gleichung (6.43) und die Bestimmung des Massenfehlerterms $ b$ mit den Geschwindigkeiten, die wie in Gleichung (6.44) für alle Kontrollvolumengrenzflächen zu gewinnen sind.

Ausgehend von Gleichung (6.40) kann mit den Druckkorrekturen auch eine Korrekturvorschrift für die Geschwindigkeiten $ u^*$ gefunden werden. Diese Korrektur ist jedoch nicht so wesentlich für die Konvergenz des Druckkorrekturverfahrens wie die Korrektur der Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzen, aus denen die neuen konvektiven Flüsse und damit die neuen Koeffizienten der diskretisierten Impulsgleichungen errechnet werden. Damit und mit den korrigierten Drücken folgen in der erneuten Lösung der Impulsgleichungen bereits die zugehörigen neuen Geschwindigkeitswerte $ u_i^*$ an allen Kontrollvolumenzentren $ i$. Eine zusätzliche Korrektur der Geschwindigkeiten $ u_i^*$ unterstützt so allenfalls eine iterative Prozedur zur Lösung der Impulsgleichungen, indem hierbei verbesserte Startwerte für das Geschwindigkeitsfeld generiert werden.

Zusammenfassend ergibt sich für die Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen auf nichtversetzten zweidimensionalen Gittern folgende Vorgehensweise:

1.
Abschätzen eines Druckfeldes $ p^*$
2.
Lösung der Impulsgleichungen [vgl. (6.40)] $ \Rightarrow u^*, v^*$
3.
Ermittlung der Pseudogeschwindigkeiten nach (6.42) oder einfacher mit der Beziehung:

$\displaystyle \hat u_P^*=u_P^*-\frac12 \cdot \frac{A_P}{a_P}\cdot (p_W-p_E)$ (6.48)

$ \Rightarrow \hat u^*, \hat v^*$
4.
Ermittlung der Geschwindigkeiten auf den Kontrollvolumenflächen (6.44) $ \Rightarrow u_e^*, v_n^*, \dots$
5.
Lösung der Druckkorrekturgleichung $ \Rightarrow p'$
6.
Korrektur des Druckfeldes (6.46) $ \Rightarrow p $
7.
Korrektur der Geschwindigkeiten an den Kontrollvolumengrenzflächen (6.47) $ \Rightarrow u, v$
8.
Lösung der Gleichungen für andere Variablen, die das Geschwindigkeitsfeld beeinflussen, z.B. Turbulenz, Temperatur, etc.
9.
Gehe nach 2. und iteriere, bis Konvergenz erreicht ist $ p^* = p$




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Ulf Bunge 2003-10-10