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Abbildung 1: Materieller Vektor dX, Bewegung in neue Position dx
In der Abbildung 1 ist eine beliebige Veränderung eines materiellen Vektorelementes
durch das Verschiebungsfeld zu einer anderen Lage dargestellt.
Es gibt viele verschiedene Definitionen für endliche Verformungen und Verzerrungen, die sich in zwei Arten
einteilen lassen (siehe [3],
Seite 155):
- Definitionen auf der Basis der unverformten Konfiguration: Verwendung der materiellen Koordinaten der unverformten
Konfiguration, als Lagrangesche Formulierung oder Darstellung bezeichnet.
- Definitionen auf der Basis der verformten Konfiguration: Verwendung der räumlichen Koordinaten in der
verformten Konfiguration, Eulersche Darstellung genannt.
Im folgenden sollen die vier grundlegenden Tensoren in beiden Darstellungen angegeben werden, eine ausführliche
Beschreibung entnehme man u.a [3, 7].
Diese Tensoren sind der Deformationsgradient, dessen Transponierter, der Verformungstensor und der Verzerrungstensor.
Der Deformationsgradient ist am einfachsten mit den Verformungsgleichungen 22 zu definieren und enthält
mehr Information über die Bewegung als die anderen beiden, was jedoch ein Nachteil sein kann. In kartesischen Koordinaten
sind die Verformungsgleichungen:

in allgemeinen Koordinaten schreibt man:

Der Nachteil hat seine Ursache darin, daß der Deformationsgradient sowohl die Rotation als auch die Deformation beschreibt, so daß
Erhaltungsgleichungen, die mit diesem Tensor gebildet werden, so formuliert werden müssen, daß sich keine
Spannungen auf Grund von Starrkörperdrehungen ergeben. Der Verzerrungstensor dagegen verschwindet bei
Starrkörperdrehungen, so daß eine simple lineare, homogene Spannungs-Verzerrungs-Gleichung diese Forderung
erfüllt.
Die Lagrangesche Darstellung erscheint in der Elastizitätstheorie die geeignetere zu sein, weil es generell
einen unverformten oder unbelasteten Zustand gibt, in den der Körper bei Entlastung zurückkehrt. Aber die
Gleichgewichtsbedingungen und Spannungs-Verzerrungs-Zusammenhänge müssen in der verformten oder momentanen
Konfiguration erfüllt werden. In einer solchen Gleichung müssen dann entweder die Spannungen zurück auf das unverformte
System, oder die Verzerrungen auf das verformte System bezogen werden, um für alle Tensoren in einer
Gleichung dasselbe Bezugssystem zu haben. Dies ist unter anderem auch
Voraussetzung für die ''Übersetzung'' von symbolischer in
Index-Schreibweise, [8].
Der Deformationsgradient wird bezüglich der unverformten Konfiguration formuliert (erster Teil von Gleichung
22):
Es ist anzumerken, daß der Deformationsgradient zwar ein Tensor ist, aber keinesfalls ein Gradient in herkömmlichen
Sinne der Definition eines Gradienten, siehe [7]. Darauf wird nicht in jeder Literaturstelle hingewiesen.
Bei kartesischen Koordinaten ist diese Unterscheidung nämlich nicht notwendig, müsste formal korrekt aber bei einer
Notation in symbolischer Schreibweise, wie in [3], Seite 156, erfolgt, beachtet werden.
In kartesischen Basen schreiben wir:
in allgemeinen Koordinaten:
woran man erkennen kann, daß es sich nicht um einen Gradienten handelt, da dann die kovariante Ableitung
nach den Koordinaten verwendet werden müßte.
In räumlichen Koordinaten oder Eulerscher Formulierung (zweiter Teil von Gleichung 22) schreiben wir:
somit in kartesischen Koordinaten:
Es handelt sich
bei und um zueinander inverse Tensoren.
Der Deformationsgradient beschreibt die Deformation in einem infinitesimalen Gebiet um ein Teilchen, seine
Komponenten selbst hingegen sind endlich.
Über den Deformationsgradienten können die in Tabelle 1 zusammengefassten, generell gültigen
Aussagen gemacht werden. Es ist zu erkennen, daß der Deformationsgradient bei Starrkörperrotationen
nicht verschwindet, weswegen andere Tensoren definiert werden, siehe z.B. Gleichung 29 und 30.
Dies kann man ebenfalls über eine Aufteilung in symmetrische und antimetrische Anteile erreichen,
denn eine Starrkörperrotation ist duch einen antimetrischen Tensor beschrieben. Einen antimetrischen Anteil
gibt es bei einem symmetrischen Tensor nicht, und
aber sind per Definition symmetrisch.
Verformungsart | Aussage über |
Translation, | |
Rotation, starre Bewegung | ist orthogonal |
Verzerrung | ist symmetrisch |
Dilatation (Richtung bleibt erhalten) | ist isotrop |
Distorsion (Volumen bleibt erhalten) | |
Tabelle 1: Aussagen über den Deformationsgradienten
Die Verzerrungstensoren und sind so definiert, daß
sie die Änderung des Längenquadrats des materiellen Vektors angeben. In Lagrangescher Darstellung:
oder in Eulerscher Darstellung:
Zum Schluß seien noch die Verformungstensoren und
betrachtet, denn sie sind eng mit dem klassischen Verzerrungstensor verknüpft.
Anstelle der Längenänderung gibt der Greensche Deformationstensor (oder Greenscher Verzerrungstensor oder
rechter Cauchy-Green Tensor)
die neue verformte Länge des Elements, in das
bei der Verformung übergeht, bezogen auf das unverformte System an. Der Inverse des Cauchyschen
Verformungstensors (oder Cauchyscher Verzerrungstensor oder linker Cauchy-Green Tensor)
oder dagegen gibt das Anfangslängenquadrat
eines Elementes im verformten System an:

Beim Vergleich mit 29 und 30 erhält man:
Die Deformationstensoren werden zum Einheitstensor, wenn es keine Verzerrungen gibt. Mit den Zusammenhängen
24 und 25 und den Längen und
folgt:
damit aus 32 schließlich:
und sind symmetrische Tensoren und ihre Hauptachsen
fallen zusammen, [3].
Gleiches gilt für und , ihre Hauptachsen fallen
im Raumpunkt zusammen, sind im allgemeinen aber nicht parallel zu den Hauptachsen von
und im Punkte .
Die Eigenwerte von und sind alle positiv, was
aus den Definitionsgleichungen 31 folgt.
Wird eine Bewegung, dargestellt in kartesischen Koordinaten, gegeben durch:
so erhält man dann die kartesischen Koordinaten
Sind die Ableitungen der Verschiebungen in Bezug auf die materielle Basis klein gegenüber eins, so
können die Produktterme gegenüber den linearen Termen vernachlässigt werden. Bei kleinen Verzerrungen ist
das zulässig. Dies ist z.B. bei elastischen Verformungen von Metall der Fall, [3].
Plastische Verformungen von Metall und gummielastisches Verhalten erlauben diese Vereinfachungen nicht mehr.
Analog kann man die Koordinaten von durch Verschiebungsableitungen ausdrücken mit
den räumlichen, kartesischen Koordinaten
so daß man die kartesischen Koordinaten:
erhält.
Eine Vernachlässigung der quadratischen Terme ist unter oben angegebenen Voraussetzungen ebenfalls möglich, zu
beachten ist aber, daß bezüglich der Raumkoordinaten abgeleitet wird.
Die werden Eulersche Verzerrungskomponenten und die Lagrangesche Verzerrungskompneneten
genannt. Wenn die Verschiebungen und Verschiebungsableitungen hinreichend klein sind, wie z.B. in
der klassischen linearisierten Elastizitätstheorie vorausgesetzt, dann ist diese Unterscheidung bei
den Verzerrungstensorkoordinaten nicht mehr notwendig. Man verwendet dann häufig als Bezeichnung für die
Verzerrungstensorkomponenten . Anzumerken ist noch, daß es sich bei den Komponenten um
exakte Ausdrücke handelt - höhere als qudratische Terme gibt es nicht - so daß dies die
kompletten Tensoren für endliche Verzerrungen sind, keine Approximationen zweiter Ordnung!
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Ulf Bunge
Wed Jan 5 17:56:47 CET 2000